Nachgefragt: Silke Bölts, Referentin für Klima, Biodiversität und Fairen Handel beim Forum Fairer Handel
In der heutigen Ausgabe unserer Interviewreihe haben wir mit Silke darüber gesprochen, was Vielfalt für sie bedeutet, welche Rolle Biodiversität im Fairen Handel spielt und warum Biodiversität auch eine soziale Frage ist.
Was bedeutet Vielfalt für dich – persönlich und im Kontext deiner Arbeit?
Für mich persönlich bedeutet Vielfalt, dass Diversität etwas Positives ist und sich gegenseitig ergänzt. Denn viele unterschiedliche Perspektiven sind sehr wertvoll. Vielfalt macht unser Leben bunter und resilienter: Wir sind widerstandsfähiger gegenüber Krisen und bleiben offener gegenüber Neuem.
Im Kontext meiner Arbeit bedeutet Vielfalt, dass ich mir unterschiedliche Standpunkte anhöre, bevor ich eine Entscheidung treffe. So kann ich meinen Horizont erweitern und über Argumente nachdenken, die ich vorher nicht berücksichtigt habe. In meiner Arbeit beschäftige ich mich auch mit der biologischen Vielfalt, die mir auch persönlich sehr am Herzen liegt.
Warum ist der Schutz der Biodiversität auch eine soziale Frage – und welche Rolle spielt der Faire Handel dabei?
Der Schutz der biologischen Vielfalt ist nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Frage. Denn nur wenn die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten bleiben, ist menschenwürdiges Leben möglich. In einer Umgebung ohne saubere Luft, klares Wasser oder gesunden Böden, auf denen Essen wächst, kann niemand lange überleben.
Andersherum müssen soziale Probleme gelöst werden, damit die Umwelt erhalten werden kann. Wo Menschen über wenig Ressourcen verfügen, sind sie geneigt, die Natur zu übernutzen, sodass dann Rohstoffe mittelfristig nicht mehr zur Verfügung stehen.
Wer sich zum Beispiel kein Gas zum Kochen leisten kann, wird Feuerholz sammeln und über die Zeit den Wald abholzen. Wenn der Wald aber fehlt, ist das einerseits für das Weltklima schlecht und andererseits für das Mikroklima vor Ort nicht gut: Regenmuster können sich verändern, es kommt zu Erosion durch z. B. Starkregen.
Neben dem Wald, ist der Acker ein anderes Beispiel. Auf einem fruchtbaren Boden, können gesunde Nahrungsmittel produziert werden. Wenn aber aus Effizienzgründen, z. B. Hecken entfernt werden, kann es zwar mehr Fläche für Ackerkulturen geben, auf der anderen Seite fehlen sie aber auch als Windbarriere, sodass der Boden beim nächsten Sturm abgetragen wird.
Welche konkreten Beispiele zeigen für dich, dass Fairer Handel Biodiversität tatsächlich schützt oder fördert?
Im Fairen Handel gibt es viele Projekte, die die biologische Vielfalt schützen. Kaffee, Kakao oder Palmöl aus einem (dynamischen) Agroforst schafft Resilienz, ist gut für das Klima und die Biodiversität. Denn in einem Agroforst können neben der Kultur für den Export auch viele unterschiedliche Früchte für den Eigenverzehr oder den lokalen Markt angebaut werden. Das macht die Kleinbäuer*innen resilienter: Wenn z. B. die Kaffeeernte schlecht ist, wächst anderes Gemüse vielleicht besser. Unterschiedliche Einkommensquellen geben so mehr wirtschaftliche Sicherheit.
Die Kombination von Bodenpflanzen, Sträuchern und Bäumen schafft auch eine strukturreiche Umgebung, in der viele unterschiedliche Tierarten einen Lebensraum finden. Der Verzicht auf Pestizide ist nicht nur gut für die Insekten, sondern auch für die Arbeiter*innen, die dann nicht in Kontakt mit den giftigen Substanzen kommen und gesünder bleiben.
Der Faire Handel fördert mit seinen Projekten des Agroforsts, des biologischen Anbaus oder mit dem Erhalt von alten Sorten nicht nur die Biodiversität. Der Faire Handel ist auch abhängig von einem funktionierenden Ökosystem:
Denn die Landwirtschaft braucht gesunde Böden, in denen Pflanzen gut wurzeln können, viele Insekten, die die Blüten bestäuben und eine Tier- und Pflanzenwelt, in der sich Nützlinge und Schädlinge gegenseitig in Schach halten.