Die größte Aktionswoche des Fairen Handels in Deutschland

Nachgefragt: Interview mit Silke Bölts

Jeden Monat stellen wir drei Fragen zur Fairen Woche an eine Person oder Gruppe aus der Fair-Handels-Bewegung.

In der dieser Ausgabe haben wir mit Silke Bölts, Referentin für Klimaschutz und Fairer Handel beim Forum Fairer Handel, gesprochen. Sie hat in den letzten Wochen intensiv die Entwicklungen bei der Weltklimakonferenz COP27 verfolgt und gibt einen kurzen Ausblick auf die Fairen Wochen 2023/2024.

Liebe Silke, was bedeutet Klimagerechtigkeit überhaupt?

Klimagerechtigkeit bedeutet, die Klimakrise als Frage sozialer Gerechtigkeit zu verstehen. Diejenigen, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, leiden am meisten unter ihren Folgen. 

Am Beispiel von Kaffeebäuer*innen wird es deutlich: Meist leben sie in Ländern wie Äthiopien, Nicaragua oder Guatemala. Länder, in denen in der Regel der CO2-Ausstoß pro Kopf sehr gering ist. Als Landwirt*innen sind sie aber sehr vom Klima abhängig, denn empfindliche Kaffeepflanzen haben einen geringen Toleranzbereich gegenüber Hitze oder Trockenheit. 

Die Bäuer*innen sind also den sich ändernden Klimabedingungen ausgeliefert, ohne die Klimakrise nennenswert mitverursacht zu haben. Oftmals haben sie selbst auch nicht ausreichend Mittel, um sich an die Klimaveränderungen anzupassen. 

Während wir im Globalen Norden den Großteil der Klimakrise verursachen, sind die Auswirkungen der Klimakrise bei uns bisher noch nicht so stark zu spüren. Bei unseren Partnern im Globalen Süden sind starke Dürren, Überschwemmungen oder Stürme bereits heute Realität. Wir können uns zudem auch oft Anpassungsmaßnahmen leisten, während die meisten Länder des Globalen Südens das nicht können.

Zeitliche Dimension 

Klimaschutz wird oftmals nur als Thema der Umweltorganisationen gesehen. Man müsse jetzt Klimaschutz betreiben, damit es uns in Zukunft auch noch gut gehe. Doch viele Menschen leiden bereits heute (und eigentlich auch bereits seit gestern) unter der Klimakrise. Nur bekommen wir das im Globalen Norden nicht immer so mit.

Ich finde das Zitat von Kevin Okonkwo, einem Engagierten in der Gruppe Locals United, hierzu sehr passend: “Sich über die Zukunft Gedanken machen zu können, ist ein Privileg all derer, die sich keine Sorgen um das Hier und Jetzt machen müssen.”

Nicht nur Emissionen einsparen, sondern auch bei Anpassung unterstützen und für Schäden aufkommen 

Es wäre aber zu kurz gedacht, nun konsequenten Klimaschutz zu fordern. Treibhausgasemissionen einsparen ist richtig und wichtig, aber dabei allein sollte es nicht bleiben. Wir müssen unsere Partner im Globalen Süden bei der Anpassung unterstützen und auch für Schäden und Verluste aufkommen, die durch die von uns (dem Globalen Norden) verursachte Klimakrise entstehen.

Klimagerechtigkeit ist keine Umwelt- sondern eine Macht-Frage 

Klimagerechtigkeit geht aber noch viel weiter. Das Thema vereint viel mehr als nur Umwelt-Organisationen in sich, denn auch Menschenrechte oder soziale Fragen spielen eine große Rolle. Für mehr Klimagerechtigkeit müssen wir als Globaler Norden endlich Verantwortung für unsere historischen Emissionen übernehmen. Statt nur um Umweltschutz geht es viel mehr auch um eine Rückverteilung von Macht, die Erfüllung von Grundrechten und die Beseitigung von Ungerechtigkeiten.

Was waren für dich die wichtigsten Ergebnisse der COP27?

In der internationalen Klimadiplomatie unterscheidet man zwischen den Kategorien Emissionsminderung (Mitigation), Anpassung an Klimawandelfolgen (Adaptation) und Kompensation für erlittene Schäden und Verluste (Loss & Damage). 

Auf der COP27 wurde endlich eine Fazilität für Schäden und Verluste eingerichtet. Dies wurde seit fast 30 Jahren von Akteure des Globalen Südens gefordert. Wie genau dieser Fonds ausgestaltet werden soll, wer einzahlt und wer Geld erhalten kann, wird auf den Folgekonferenzen noch weiter ausverhandelt. 

Das ist ein großer Schritt, auch wenn noch viel zu klären ist. Leider waren die Ergebnisse des Arbeitsprogramms zur Emissionsminderung (Mitigation Work Programme) nicht so konkret, obwohl dies zur Einhaltung der 1,5°C-Grenze wichtig wäre.

Weitere Eindrücke von der Klimakonferenz beschreibe ich in meinem neuen Blog-Artikel.

2023/ 2024 wird sich die Faire Woche mit dem Thema Klimagerechtigkeit befassen. Welchen Beitrag leistet der Faire Handel heute schon für mehr Klimagerechtigkeit?

Im Fairen Handel achten wir bereits heute auf eine emissionsarme Wirtschaftsweise und unterstützen unsere Partner*innen bei Anpassungsmaßnahmen oder helfen ihnen, wenn z. B. ein Hurrikan ihre Infrastruktur zerstört hat. 

Gleichzeitig sind wir als Fair-Handels-Bewegung auch noch auf dem Weg, uns stärker mit diesem Thema zu beschäftigen. Denn bei der Klimagerechtigkeit geht es ja auch um Macht und Privilegien. Es geht darum, unterschiedliche Perspektiven einzunehmen, historische Ungerechtigkeiten zu betrachten und zu überlegen, was das immer noch mit uns zu tun hat. 

Am 08.12.2022 werden wir dies auf unserer Jahrestagung in Berlin weiter diskutieren und laden hierzu auch externe Referent*innen ein, mit denen wir uns austauschen werden. 

Interessierte können sich noch gerne bis zum 30.11. unter info@forum-fairer-handel.de anmelden.

Hast du einen Tipp, wie man ganz einfach einen Beitrag zum Klimaschutz/ zur Klimagerechtigkeit leisten kann?

Ein erster Schritt ist natürlich, den eigenen ökologischen Fußabdruck zu verringern und damit auch Emissionen einzusparen. Dies ist gut und richtig. Viel wichtiger und weitaus effektiver ist es aber, zusätzlich noch politisch aktiv zu werden, damit sich Strukturen ändern. 

Mit persönlichem Engagement kannst du deinen “positiven” Handabdruck vergrößern. Das Konzept stammt ursprünglich von der indischen Organisation CEE und ich finde es ein schönes Bild. Mit anderen gemeinsam aktiv werden, um Systeme zu verändern, gibt einem viel mehr Spaß und Selbstwirksamkeit, anstatt sich immer weiter einzuschränken und in den alten Strukturen zu verharren. 

Zusätzlich ist es immer hilfreich, sich weiter mit dem Thema Klimagerechtigkeit zu beschäftigen, sich zu informieren und von Menschen mit anderen Perspektiven zu lernen. Die BUND-Jugend hat zum Thema für einen ersten Einstieg eine gute Broschüre herausgegeben.

Ein weiterer ganz einfacher Schritt ist es, in den sozialen Netzwerken Umweltaktivist*innen aus dem Globalen Süden oder People of Colour zu folgen, um ihre Forderungen und Eindrücke mitzubekommen. 

Einige Beispiele hierfür bei Instagram sind: @fridaysforfuturemapa, @vanessanakate1 oder @Blackearthkollektiv

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