Jahresthema "Geschlechtergerechtigkeit"
Die Faire Woche beschäftigte sich in diesem Jahr mit dem Thema der Geschlechtergerechtigkeit. Unter dem Motto „Gleiche Chancen durch Fairen Handel“ machten wir darauf aufmerksam, welchen Beitrag Frauen und Mädchen zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten können, vor welchen Herausforderungen sie oftmals stehen und welche Ansätze der Faire Handel verfolgt, um das Menschenrecht der Geschlechtergerechtigkeit zu fördern.
Noch immer gibt es weltweit Strukturen, die unter anderem dazu führen, dass Frauen auf gesellschaftlicher, finanzieller und politischer Ebene benachteiligt werden. Sowohl in Bezug auf Deutschland als auch global betrachtet ist die strukturelle Benachteiligung von Frauen an vielen Stellen offensichtlich. Einige Beispiele:
- Frauen verdienen für vergleichbare Tätigkeiten teilweise deutlich weniger als Männer. Diese als Gender Pay Gap bekannte Ungleichbezahlung liegt in Deutschland zwischen 8 und 22 %.
- In Unternehmen und in der Politik sind Frauen weniger oft in Führungspositionen vertreten als Männer. Nur 13,5 % der Vorstände der 30 DAX-Unternehmen sind weiblich, der Frauenanteil im deutschen Bundestag liegt aktuell bei 31 % und damit so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr.
- Frauen sind deutlich häufiger als Männer von Armut betroffen. Von den rund 700 Mio. Menschen, die weltweit in extremer Armut leben, sind rund 70 % Frauen.
- Frauen haben, vor allem in zahlreichen Ländern des Südens, weniger Zugang zu Bildung, Geld, Krediten, und anderen Bereichen der Infrastruktur.
Eine stärkere Beteiligung von Frauen kommt dabei auch der Gemeinschaft zugute, denn Frauen geben mehr Geld für die Ernährung, Ausbildung und Gesundheit der Familie aus. So bildet die Förderung von Frauen unter anderem die Grundlage für das Erreichen der nachhaltigen Entwicklungsziele.
Der Faire Handel leistet dazu einen wichtigen Beitrag. Fair Handels-Unternehmen lehnen Geschlechterdiskriminierung ab und setzen sich aktiv für eine Gleichberechtigung ein. Frauen bekommen einen gerechten Lohn, werden in Entscheidungsprozesse einbezogen und haben Zugang zu Bildung und Weiterbildungen. Damit trägt der Faire Handel dazu bei, dass Strukturen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft so gestaltet werden, dass Frauen ihr volles Potenzial entfalten können.
Der Faire Handel
- fördert den Zugang von Mädchen und Frauen zu Bildung, z.B. durch spezielle Bildungsprogramme, in deren Rahmen sie auch über ihre Rechte informiert werden
- verschafft Frauen Zugang zu Ressourcen wie Land und anderen Produktionsmitteln und unterstützt sie bei der Vermarktung von Produkten. Er ermöglicht ihnen so die Chance auf ein eigenes Einkommen, das wiederum die Basis für ein würdiges und selbstbestimmtes Leben ist
- ermöglicht Frauen die Einbeziehung in Entscheidungsprozesse, so dass sie sich für ihre Rechte sowie die Interessen der Gemeinschaft einsetzen können;
- thematisiert das Problem der Ungerechtigkeit durch fehlende Gleichberechtigung der Geschlechter, z.B. im Rahmen der Fairen Woche. Er bringt das Thema so auf die politische Tagesordnung mit dem Ziel, Strukturen aufzubrechen, die die Gleichberechtigung der Geschlechter behindern.
Videos: Gleiche Chancen durch Fairen Handel
In diesem Clip erzählt Cruz Dolores Espinoza von APROLMA, welchen Schwierigkeiten sie als reine Frauenorganisation beim Aufbau ihrer Kooperative begegnet sind. In einem gemeinsamen Projekt mit GEPA - The Fair Trade Company rösten und verpacken sie seit 2018 ihren Kaffee selbst.
Sandra Hernandez Matata von der Kaffeekooperative RAOS in Honduras erzählt, ob und wie Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern in Honduras und der Kooperative RAOS gelebt wird.
Cruz Dolores Espinoza von der Frauenkooperative APROLMA, Honduras, und Esmeralda Martinez Avilez von TIERRA NUEVA, Nicaragua, berichten, wie Frauen in ihren Organisationen gestärkt werden. Sie lernen, dass ihre Arbeit etwas wert ist und sich für ihre Rechte einzusetzen.
Berichte der WFTO zur Situation von Frauen in der Arbeitswelt
Die WFTO hat anlässlich des Weltfrauentages 2019 zwei Berichte veröffentlicht, um auf die Situation von Frauen aufmerksam zu machen und den Fairen Handel als Rahmen für verantwortungsvolles Handeln in die Diskussion zu bringen. Der Bericht „Gender Equity and Women’s Rights in the work place“ gibt einen Überblick über die Situation von Frauen in der Arbeitswelt in Afrika, Asien und Lateinamerika und formuliert Forderungen an die jeweiligen politischen Entscheidungsträger*innen, um die Rahmenbedingungen für Frauen gerechter zu gestalten. Der Bericht „Business models that empower women“ (Geschäftsmodelle, die Frauen stärken) fasst die Ergebnisse von Untersuchungen bei zahlreichen Produzentengruppen des Fairen Handels zusammen, die zeigen, vor welchen Herausforderungen Frauen weltweit stehen und wie der Faire Handel zur Stärkung ihrer Position beiträgt.
Aus den Untersuchungen leitet die WFTO folgende zentrale Forderungen ab, die dazu beitragen sollen, politische, ökonomische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu verändern mit dem Ziel, gleiche Entfaltungsmöglichkeiten für Frauen und Männer zu schaffen:
- Stereotypenbildung in der Erziehung vermeiden; insbesondere in der schulischen Bildung; gleiche Förderung von und Forderungen an Jungen und Mädchen;
- Die Zahl der Frauen in politischen Ämtern und in Gremien in Unternehmen erhöhen;
- Patriarchale Strukturen aufbrechen; Bewusstseinstrainings für Frauen durchführen, damit diese ihre Rechte kennen und einfordern können, z.B. in Erbfällen;
- Ungleiche Machtverteilung in Lieferketten beenden; sichere Arbeitsplätze und faire und gleiche Bezahlung einführen;
- Gesetzliche Rahmenbedingungen für den informellen Sektor schaffen und z.B. soziale Absicherungssysteme einführen;
- Einführung der zehn Prinzipien des Fairen Handels als Rahmen für verantwortungsvolles Handeln für alle Unternehmen und staatliche Instanzen.
Der Bericht „Business models that empower women“ beschreibt zahlreiche Maßnahmen des Fairen Handels, die das Leben und Arbeiten von Frauen zum Positiven verändert haben. So z.B. die Einführung von Sozialleistungen, Fortbildungsmöglichkeiten, höhere Einkommen, und die stärkere Präsenz von Frauen in Führungspositionen bei WFTO-Mitgliedern im Vergleich zu konventionellen Unternehmen.
Die Berichte kommen zu dem Schluss, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter eine Voraussetzung für das Erreichen der nachhaltigen Entwicklungsziele wie dem SDG5 ist. Oder anders formuliert: Die Chancen eines Landes auf eine nachhaltige Entwicklung werden beschnitten, wenn zu wenig in weibliche Arbeitskräfte investiert wird. Der Faire Handel wird als positives Beispiel angeführt, weil er die Integration von Frauen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft fördere.
Bericht WFTO (2019): "Geschäftsmodelle, die Frauen stärken." Download (deutsche Fassung herausgegeben von Forum Fairer Handel)
Bericht WFTO (2019): „Gender Equity and Women’s Rights in the work place“ Download